Der polnische Endbericht über den Absturz der polnischen Tu-154M in Smolensk, am 10. April 2010, liegt jetzt in englischer Sprache vor. Versämnisse, Fehler, falsche Entscheidungen, die man nicht für möglich gehalten hat, führten zum Absturz. Doch die Kette der Ereignisse beginnt nicht erst beim Anflug auf Smolensk-Nord, sie beginnt bereits im August 2008, über Tiflis, in Georgien.....
Zur Erinnerung: am 10. April 2010 wollte eine hochrangige polnische Delegation zur Gedenkfeier nach Katyn fliegen. An Bord befanden sich der Polnische Staatspräsident, seine Ehefrau, der stellvertretende Außenminister, der Oberkommandierende der Polnischen Luftwaffe, 12 Mitglieder des Parlaments, der Präsident der Polnischen Staatsbank, hochrangige Militärs sowie Hinterbliebene der Opfer von Katyn. Insgesamt 88 Passagiere, 3 Flugbegleiter und ein Sicherheits-Offizier. Außerdem im Cockpit der Flugkapitän, der Copilot, der Navigator und der Flugingenieur.
Der Kapitän wurde erst 5 Tage vor dem Flug über diese Aufgabe informiert. Hintergrund: er sprach fließend Russisch. Die russische Luftfahrtverwaltung hatte einen russischen Navigator angeboten, das polnische Militär lehnte das Angebot ab. Nach den polnischen Vorschriften hätte der Kapitän den Flug überhaupt nicht antreten dürfen, da er zwar zum Flugkapitän ernannt worden war, jedoch weder ein Training noch einen Proficiency Check gemacht hatte. Der Flugingenieur war eigentlich ein Pilot, der öfter auch als Flugingenieur eingesetzt wurde, eine Lizenz besaß er nicht. Der ursprünglich vorgesehene Fliugingenieur durfte nicht fliegen, weil er über kein gültiges Visum verfügte. Nur der Navigator hatte die gültige Lizenz. Am Tag vor dem Flug führte jedes Crew-Mitglied seine eigene Flugplanung durch. Unterlagen über diese Flugplanungen waren nicht auffindbar. Es fehlten wichtige Navigationsunterlagen für Smolensk-Nord. Die Anflugkarten waren veraltet und die notwendigen NOTAMs lagen nicht vor. Wettermeldungen von Witebsk, Minsk, Kiew, Moskau waren vorhanden, aber nicht von Smolensk-Nord. Außer dem Kapitän hatte kein Crewmitglied Smolensk je angeflogen. Der Kapitän verfügte auch über wenig Erfahrung mit IFR Anflügen bei schlechter Sicht. Einen NDB Anflug im Nebel hatte er noch nie durchgeführt. Auf einen technischen Vorbereitungsflug ein bis zwei Tage voher, um sich mit dem Flughafen Smolensk-Nord vertraut zu machen, verzichtete man.
Zwei Stunden vor dem Tupolev Flug startete eine YAK-40 von Warschau nach Smolensk-Nord, an Bord Journalisten und Begleitpersonal. Bei der Ankunft dieser Maschine hatte sich das Wetter stark verschlechtert. Die Sicht war nur noch minimal. Die Tupolev startete und flog in Richtung Smolensk-Nord. Zu diesem Zeitpunkt hätte die Maschine auch mit Radarunterstützung nicht mehr landen dürfen (Sicht horizontal 400m, vertikal 100m). Der Kapitän flog die Maschine, führte aber gleichzeitig den Funksprechverkehr mit Smolensk auf russisch durch. Zur Sicherheit kontaktierte die Crew die YAK-40 und erfragte die Wettersituation. Die YAK-40 Crew wies auf die schlechte Sicht hin, bemerkte aber: "Ihr könnt es natürlich versuchen". Der Kapitän informierte Smolensk-Nord Tower, dass er eine Landung versucht, aber bei zu schlechter Sicht einen anderen Flughafen ansteuert. Auf die Frage des Fluglotsen, ob sie genügend Treibstoff an Bord haben für den Flug zum Ausweichflughafen, antwortete er:"Wir haben genügend Treibstoff". Beim Erreichen von 1.500m Flughöhe stellten die Piloten die Höhenmesser von dem Standardluftdruck (1013 hPa) auf den Flugplatzluftdruck (994 hPa) um. Der weitere Anflug wurde ohne IFR (System ausgefallen), nur mit Hilfe des (militärischen) NDBs durchgeführt. Zwar war ein russisches Lande-Radar vorhanden, doch der Fluglotse hatte Schierigkeiten mit der Systematik (Obwohl die Maschine deutlich über dem Gleitpfad flog, sagte er:"Alles auf Kurs").
Hier beginnt die Ereigniskette, die bis in das Jahr 2008 zurückreicht. Der Polnische Staatspräsident war auf Staatsbesuch nach Georgien geflogen. Eine Landung in Tiflis war wegen schlechten Wetters ausgeschlossen, also entschied der Flugkapitän: "Weiterflug nach Gyandj in Aserbeidschan". Mit dem Auto fuhr die Delegation dann nach Tiflis. Der Flugkapitän durfte zukünftig keine Regierungsmaschine mehr steuern. Auf diesem Flug war der Co-Pilot der jetzige TU154 Smolensk Kapitän. Ihm war also klar, dass er das nahezu unmögliche versuchen muss. Die Maschine bekam die Freigabe zum einmaligen Landeversuch und begann den Landeanflug. Über dem Outer Marker war sie 120m über dem Gleitpfad und verstärkte den Sinkflug. Kurze Zeit später kam das Bodenannäherungswarngerät an ("terrain ahead"). Der Kapitän stellte am barometrischen Höhenmesser wieder den Standardwert von 1013 hPa ein, die Bodenannäherungswarnung stoppte. Vom Navigator kamen die Radiohöhenmesserangaben, der Fluglotse sagte weiterhin "auf Kurs", obwohl die Maschine sich nun unter dem Gleitpfad befand. Das Ausrufen der "Decisiont Height" überhörte der Kapitän, erst bei 60m Radiohöhenmesser gab er das Kommando "go-around". Doch da war es schon zu spät.
Der russische Endbericht hier