Tragen die Vorschläge der FAA für eine Neugestaltung der Flugdienst- und Ruhezeiten zur Verringerung des "Pilot Fatigue" Risikos bei? Im Vergleich dazu werden die geplanten Bestimmungen in der EU sowie in Großbritannien aufgeführt.

Der Streit um optimale Flugdienst- und Ruhezeiten dauert nun schon Jahrzehnte an. Erst 1985 war die FAA (Federal Aviation Administration) in der Lage, die aus den 1930er Jahren stammenden Regelungen den veränderten Luftverkehrsbedingungen anzupassen, zumindest für US-Piloten und national operierenden US-Fluggesellschaften. 1989 forderte das NTSB (National Transportation Safety Board) Untersuchungen zum Problem des "Pilot Fatigue" durchzuführen. 1995 veröffentlichte die FAA einen Gesetzesvorschlag, der sich des "Pilot Fatigue" Problems annahm und Erkenntnisse der wissenschaftlichen Forschung beinhaltete. Die Fluggesellschaften lehnten den Vorschlag sofort ab, mit der Begründung, dass damit weitere Kosten auf sie zukämen. Erst 2009, nach dem Absturz der Colgan Air, nahe Buffalo, übte das NTSB starken Druck auf die FAA und den Kongress aus, damit nun endlich eine vernünftige Flugdienst- und Ruhezeit Regelung in Kraft treten kann. Daraus entstand 2010 der "Airline Safety Act" (Gesetz zur Sicherheit bei Fluggesellschaften).

"Fatigue" (Erschöpfung) wird durch mehrere Komponenten erzeugt: Dauer des Schlafs, Dauer des Wachseins, Zeitraum der Tätigkeit (Tag oder Nacht) sowie das kumulierte Schlafdefizit. Die Auswirkungen sind: geringe Aufmerksamkeit, schlechte Reaktionszeiten, beeinträchtigtes Denkvermögen. Wenn an aufeinanderfolgenden Tagen die "normale" Schlafzeit von 8 Stunden nicht erreicht wird, addiert sich die fehlende Zeit zu einem Gesamt-Schlafdefizit, mit den oben erwähnten Folgen. Besonders Piloten auf Frachtflügen können in einer Woche ein Schlafdefizitvon 8 Stunden oder mehr erreichen.

In den USA stellt sich das "Fatigue" Risiko nicht nur bei Commuter-Piloten (Zubringerflüge), sondern auch bei Piloten der großen Fluggesellschaften dar: nach NTSB Untersuchungen pendeln 70 Prozent aller Piloten von ihrem weit entfernten Wohnort, teilweise über 160 Kilometer, zum Einsatzort.  Als Gründe werden aufgeführt: der Einsatzort wechselt häufig, die Wohnkosten sind außerhalb der Städte deutlich geringer, oder die Piloten wohnen in Texas bzw. Florida, weil dort keine Einkommensteuer erhoben wird. Oftmals mieten Piloten einen Schlafplatz am Einsatzort in einer billigen Unterkunft, den sie sich mit Kollegen teilen (als "crashpads" bezeichnet). In einem Fall kaufte der Pilot ein altes, kaum fahrfähiges Auto, stellte es auf dem Mitarbeiter-Parkplatz am Flughafen ab und schlief bis zu siebenmal pro Monat in dem Auto.

Commuter-Piloten haben zusätzliche Probleme, da sie erheblich weniger verdienen als ihre Kollegen bei den großen Gesellschaften. Selbst die Miete für ein "crashpad" ist oft zu hoch. Also fliegen oder fahren sie nachts zum Einsatzort, versuchen dort in der Crew Lounge zu schlafen, obwohl es verboten ist. Der Absturz der Colgan Air brachte genau diese Einzelheiten zu Tage: die Copilotin war nachts als Passagier von Seattle nach Newark geflogen, der Kapitän flog am Abend vor dem Einsatz aus Orlando nach Newark und schlief, zumindest kurzzeitig, in der Crew Lounge.

Die FAA schlägt nun ein Flugdienst- und Ruhezeiten System vor, das wesentliche Änderungen gegenüber der bisherigen Regelung beinhaltet: die Ruhezeit zwischen zwei Einsätzen soll 9 Stunden betragen, wobei die Fahrzeit von und zum Hotel bzw. dem Übernachtungsort zusätzlich mit jeweils 30 Minuten angesetzt wird. Die maximal zulässige tägliche Flugdienstzeit varriert zwischen 9 Stunden und 13 Stunden. Dies ist abhängig von verschiedenen Parametern: Flug über Zeitzonen, Nachtflüge, Anzahl der Flugsegmente, Flüge während des täglichen Biorhythmus-Tiefs (nachts: 03.00 - 05.00 Uhr, am Tage: 15.00 Uhr - 17.00 Uhr).  Piloten auf Frachtflügen werden den Piloten auf Passagiermaschinen gleichgestellt. Bisher hatten sie längere Flugdienstzeiten. Die folgende Tabelle gibt die maximale Flugdienstzeit (FDP - Flight Duty Period) an, basierend auf der Zahl der Flugsegmente und dem Einsatzort (die USA gelten als eine Zeitzone, ansonsten wird von einer Akklimatisierung ausgegangen).

 

 

Die zulässige Flugdienstzeit wird also entsprechend des Einsatzspektrums berechnet. Erhalten bleibt aber die Möglichkeit des Kommandanten-Entscheids: die Flugdienstzeit kann bis zu 2 Stunden verlängert werden. Ein wichtiger Punkt innerhalb der Flugdienstzeit sind die zulässigen Flugstunden. Festgelegt werden die zulässigen Flugstunden pro Kalenderjahr. Für US-Piloten bedeuten die Vorschläge eine Erhöhung der täglichen Flugstunden von bis zu 25 Prozent. Da viele amerikanische Piloten jedoch nach den geflogenen Stunden bezahlt werden, kommt der einzelne Pilot auf ein höheres Gehalt.

Eine andere Maßnahme zur Verringerung des "Pilot Fatigue" ist die erlaubte kumulierte Flugdienstzeit in bestimmten Zeiträumen: in 7 Tagen dürfen nur 65 Stunden Flugdienstzeit anfallen, in 28 Tagen nicht mehr als 200 Stunden.

Ein weiterer Punkt in den FAA Vorschlägen betrifft die "Dienstfähigkeit" (fit for duty). Bisher ist der Pilot allein verantwortlich für seine "Dienstfähigkeit". Die FAA möchte nun zukünftig einen Teil der Verantwortung auf die zuständige Fluggesellschaft verlagern. Dies bedeutet, dass die Fluggesellschaft die "Dienstfähigkeit" bei Dienstbeginn überprüfen soll, z.B. ob der Pilot übermüdet ist. Hier sind aber noch viele Fragen offen, weshalb die FAA weiteren Diskussionsbedarf sieht.

Vergleich mit internationalen Bestimmungen

a) Die ICAO gibt den Mitgliedsstaaten vor, Flugdienst- und Ruhezeiten für Piloten einzuführen. Allerdings sind keine bestimmten Maximalwerte vorgesehen.

b) In der EU werden die Flugdienst- und Ruhezeiten durch die EU-OPS, Teil Q festgelegt. Es bleibt aber jedem Mitgliedsstaat überlassen, striktere Bestimmungen vorzuschreiben.

Auch Teil Q sieht die Abhängigkeit der jeweiligen täglichen Flugdienstzeit vom Biorhythmus vor. Die maximale Flugdienstzeit beträgt somit 13 Stunden, jedoch nur 11 Stunden, wenn die Dienstzeit in den Zeitraum von 02.00 Uhr bis 05.59 Uhr fällt. Ab 2012 wird Teil Q geändert: erstens nähert sich die EU den FAA Standards an, zweitens wird die Möglichkeit 1.300 Flugstunden in 12 Monaten zu "fliegen" abgeschafft. Zukünftig gilt nur noch das Kalenderjahr mit 1000 Flugstunden. In der folgenden Tabelle sind die neuen EU Flugdienstzeiten aufgeführt. Die fett gedruckten Zahlen geben an, wann die EU-Flugdienstzeiten höher als die FAA Flugdienstzeiten sind.

 

c) Großbritannien. Die britischen Flugdienst- und Ruhezeiten sind in CAP-371 (Civil Aviation Authority Publication 371) festgelegt. Sie entsprechen nicht den EU-OPS, Teil Q, Bestimmungen, sollen jedoch in der nächsten Zeit den Teil Q Bestimmungen angeglichen werden. Wesentliche derzeitige Unterschiede sind längere Flugdienstzeiten und längere Ruhezeiten.

Der Originalbericht: "Flightcrew Member Duty and Rest Requirements: Does the Proposed Legislation Put to Rest the Concern over Pilot Fatigue?", von: Natalie N. DuBose, ist im "Journal of Air Law and Commerce", Vol. 76, No. 2, 253 - 287, erschienen.

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