Dieses Kommando sollten Besatzungen auf internationalen Flügen viel häufiger gegenüber aggressiven, angetrunkenen oder sicherheitsgefährdenden Passagieren anwenden. Den rechtlichen Schutz dazu gibt ihnen ein Vertrag aus dem Jahr 1963: das Tokioter Abkommen.
Auch zehn Jahre nach den Ereignissen vom 11. September 2001 sind die verstärkten Sicherheitsmaßnahmen nicht in der Luft, sondern am Boden zu finden. An Bord gibt es als einzige Maßnahme die verstärkte Cockpit-Tür. Für den Passagier bedeuten die Sicherheitsmaßnahmen: begrenzte Anzahl an Handgepäck, spezielle Untersuchung des Handgepäcks, keine Wasserflaschen, spezielle Untersuchung der Laptops, besondere Untersuchung der Schuhe, und seit Dezember 2010 Einsatz der sogenannten "Nackt-Ganzkörper-Scanner". Doch bieten diese Maßnahmen keine Garantie für die Sicherheit an Bord, denn ein Passagier "kann gefährlich sein wie eine Bombe" (Taylor & Steedman). Auch die älteste Waffe der Welt kann nicht verhindert werden: die geballte Faust. Aggressives Verhalten während des Fluges lässt sich durch Kontrollen nicht prognostizieren.
Es erscheint fast wie Ironie, dass der bestmögliche Schutz für Passagiere an Bord eines internationalren Fluges durch einen vor fünfzig Jahren geschlossenen Vertrag ausgeht: das Tokioter Abkommen vom September 1963 (Abkommen über strafbare und bestimmte andere an Bord von Luftfahrzeugen begangene Handlungen).
Es werden dem verantwortlichen Flugkapitän weit reichende Befugnisse zur Ausübung von Zwangsmaßnahmen eingeräumt. Er kann entscheiden, ob eine Zwischenlandung erfolgt und ein Passagier oder mehrere Passagiere das Flugzeug verlassen müssen, wenn sie eine Gefahr für die weitere Durchführung des Fluges darstellen. Auch kann er andere Besatzungsmitglieder und Passagiere auffordern, ihn bei den entsprechenden Maßnahmen zu unterstützen. In jedem Fall muss der Flugkapitän "ausreichende Gründe für die Annahme" haben, dass die Sicherheit des Fluges gefährdet ist ("reasonable grounds to believe..."). Wie weit reichend der Begriff "ausreichende Gründe für die Annahme..." gehen kann und somit einen Schutz für die Besatzung bietet, zeigt der Fall Zirky gegen Air Canada.
Während eines Air Canada Fluges von Tel Aviv nach Toronto, informierten Passagiere die Flugbegleiter über einen Passagier, der vermutlich auf der Toilette rauchte und den Rauchmelder deaktiviert hatte. Die Flugbegleiter untersuchten die entsprechende Toilette und fanden Zigaretten-Kippen im Abfallbehälter. Nach der Landung in Toronto nahmen Polizisten den Passagier fest, ließen ihn aber nach einer kurzen Befragung wieder frei. Air Canada stornierte den Weiterflug nach Montreal und teilte dem Passagier später schriftlich mit, dass er zukünftig nicht mehr mit Air Canada fliegen darf. Erst wenn sichergestellt ist, dass er während eines Fluges nicht mehr auf der Toilette raucht, kann er wieder mit Air Canada fliegen. Der Fluggast verklagte Air Canada, u.a. wegen Bloßstellung vor den anderen Passagieren.
Das Gericht wies die Klage ab mit Bezug auf das Tokioter Abkommen, Artikel 6. Die Richter erläuterten, dass der Flugkapitän nicht warten muss, bis ein Passagier eine Tat begeht, sondern bereits bei einem Verdacht einschreiten darf. Auch die Folgehandlung der Air Canada, nämlich den Passagier von weiteren Flügen auszuschließen, ist vom Gericht als richtig angesehen worden.
Fazit
Das Tokioter Abkommen entstand in einem dreizehnjährigen Prozess, zu einer Zeit, als die Sicherheit der Luftverkehrs außerordentlich wichtig war. Doch die Ereignisse vom 11. Septemer zeigen, dass für die Sicherheit erheblich stärkere Anstrengungen unternommen werden müssen. Ein Pilot, der die Sicherheit an Bord von internationalen Flügen aufrechterhalten will, muss die unbedingte rechtliche Rückendeckung bekommen, wenn er zu einem Passagier sagt: "Get Off My Plane!".
Der vollständige Artikel "Get Off My Plane", von: Jordan Campbell, ist erschienen im "Journal of Air Law and Commerce", Vol. 77, No. 2, 2012.