Beim Entstehen einer Quellwolke liefert die fühlbare Wärme den "Treibstoff" für die erste Stufe unserer "Wolkenrakete". Dann wird die 2. Stufe gezündet und da wird dann die latente Wärme zum Treibstoff.
Zunächst steigt also die feuchtwarme Luft wie ein Heißluftballon in die Höhe. Dabei dehnt sich die warme Luft aus, da der Luftdruck mit der Höhe abnimmt und zwar in den untersten tausend Metern um etwa 3 hPa pro 100 Fuß. Dieses Ausdehnen erfordert Energie, die der feuchtwarmen Luft in Form von Wärme entzogen wird. Also kühlt sich die feuchtwarme Luft beim Aufsteigen allmählich ab und zwar um fast genau 3°C/1000Ft.
Die Sättigung - steigt exponentiell mit der Temperatur
Was passiert mit dem Wasserdampf, der ja in der aufsteigenden warmen Luft enthalten ist? Dazu betrachten wir eine Wasseroberfläche, die total in Ruhe ist. Trotzdem schwirren die Wassermoleküle ganz unterschiedlich schnell umher. Manche Moleküle sind so schnell, dass sie aus der Wasseroberfläche heraus in die Luft schießen: sie verdunsten. Aber auch in der Luft sind manche Moleküle so schnell, dass sie ins Wasser schießen: sie kondensieren. Wenn genau so viele Moleküle verdunsten wie kondensieren, sagt man, die Luft sei mit Wasserdampf gesättigt.
Wenn nun Wasser und Luft wärmer werden, schwirren alle Moleküle schneller herum. Damit steigt die Zahl der Moleküle, die so schnell sind, dass sie verdunsten. Umgekehrt sind aber auch in der Luft mehr Moleküle so schnell, dass sie ins Wasser schießen, also kondensieren. Sie Sättigung wird also erst bei einer größeren Zahl von Molekülen erreicht.
Die Fähigkeit der Luft, Wassermoleküle im gasförmigen Zustand zu halten, steigt also mit zunehmender Temperatur und zwar exponentiell. So können an einem neblig trüben Wintertag bei 0°C in einem Kubikmeter Luft höchstens 4,9 Gramm Wasser in gasförmigem Zustand enthalten sein. Man sagt, die absolute Feuchte beträgt 4,9 g/m³. An einem heißen Sommertag mit 30°C wird die Sättigung dagegen erst bei 30,4 Gramm Wasserdampf in einem Kubikmeter erreicht. Das wäre allerdings nur im tropischen Regenwald möglich, und auch dort nur für kurze Zeit nach einem kräftigen Regenschauer. Als groben Anhaltswert kann man sich merken, dass die Sättigung pro 1°C um 7% zunimmt, sich also bei einer Temperaturzunahme um 10°C verdoppelt.
Schon bei 18 g/m³ würden wir bei 30°C die Luft als unerträglich schwül empfinden. Unser Empfinden, ob Luft trocken oder feucht ist, hängt also nicht nur von der absoluten Feuchte ab, sondern auch von der gerade herrschenden Temperatur, ist also relativ. Um die Eigenschaften der luft zu beschreiben, wird deshalb der Begriff der relativen Feuchte verwendet. Sie ist das Verhältnis zwischen vorhandener Feuchte und der bei der aktuellen Temperatur für die Sättigung notwendigen Feuchte und wird in Prozent angegeben. Während in obigem Beispiel bei 4,9 g/m³ Wasserdampf und 0°C Lufttemperatur die relative Feuchte 100% beträgt, wäre bei gleicher Feuchte aber 20°C die Luft mit einer relativen Feuchte von 30% sehr trocken.
Der Taupunkt - die "verschwundene" Energie wird sichtbar
Die relative Feuchte schwankt also zwischen absoluter Trockenheit von 0% - was beim Wetter nicht vorkommt - und der Sättigung von 100%. Solange keine Sättigung erreicht ist, passiert in der Luft nicht allzu viel. Doch sobald die Luft gesättigt ist, verwandelt sich der überschüssige Wasserdampf in kleinste Wassertröpfchen. Geschieht das am Boden, schlagen sich die Tröpfchen als Tau nieder. Die Temperatur, bei der das passiert, nennt man deshalb auch Taupunkt.
Verbleiben die Wassertröpfchen in der Nähe des Erdbodens, macht sich in der Luft Nebel breit. Kondensiert der Wasserdampf erst in größerer Höhe, entsteht eine Wolke. Wolken, Nebel und Tau sind das Ergebnis ein und desselben Prozesses! Sie stellen das sichtbare Zeichen unserer "verschwundenen" lateneten Energie dar.
Wenn wir jetzt noch unsere Überlegungen um die Eisphase erweitern, dann ist unser Kreislauf geschlossen. Für das Schmelzen von Eis und Schnee wird natürlich auch Energie benötigt, die beim Gefrieren wieder frei wird. Da die Abstände zwischen den Wassermolekülen im festen und im flüssigen Zustand nich so groß sind wie zwischen flüssigem und gasförmigem Zustand, ist auch die für den Übergang zwischen fester und flüssiger Phase umgesetzte Energie weitaus geringer. Da das aber erst in großen Höhen zum Tragen kommt, wo der Druck sehr gering ist, macht sich die geringe latente Wärme trotzdem stark bemerkbar und lässt die Wolken noch ein ganzes Stück weiter in die Höhe wachsen.
Die Sättigung der Luft ist also ein ganz entscheidender Prozess innerhalb unseres Energietransport-Systems. Um diese Sättigung zu erreichen, gibt es zwei unterschiedliche Möglichkeiten:
- Die Luft kühlt ab bis zum Erreichen des Taupunktes. Diesen Prozess können Sie beobachten, wenn Sie sich an einem heißen Sommertag ein kühles Bier genehmigen. Die Luft kühlt an dem kalten Glas so lange ab, bis der Taupunkt erreicht ist. Der Wasserdampf kondensiert und das Glas beschlägt mit kleinsten Wassertröpfchen. Bleibt das Bier lange genug kalt oder ist die Luft sehr feucht, setzen sich immer mehr Tröpfchen ab, verbinden sich zu größeren Tropfen und laufen am Glas runter.
- Zufuhr von Wasserdampf. Auch diesen Prozess kennen Sie. Wenn Sie heiß duschen, verdunstet viel Duschwasser und die Luft wird feuchter. Damit steigt der Taupunkt. Erreicht er die Temperatur des kalten Fensters oder des Spiegels, dann beschlagen diese plötzlich.
Das Kondensationsniveau - eine Wolke entsteht
Wir wissen, dass sich die Luft beim Aufsteigen um fast genau 3°C/1000Ft abkühlt. Je nachdem wie warm und feucht die Luft ursprünglich war, wird nach einigen tausend Fuß die Luft gesättigt sein, d.h. die Luft hat sich bis zum Taupunkt abgekühlt und der Wasserdampf beginnt zu kondensieren, Wasertröpfchen bilden sich, eine Wolke ist entstanden. Die Höhe, in der das passiert, nennt man Kumulus-Kondensations-Niveau (KKN) oder in der Fliegerei Convective-Condensation-Level (CCL).
Jetzt wird die zweite "Raketenstufe" gezündet, denn nun liefert die latente Wärme den Treibstoff für das weitere Wachstum der Wolke. Die Luft kühlt sich wegen des Ausdehnens weiter ab, damit kondensiert immer mehr Wasserdampf und es wird ständig die Energie frei, die vorher beim Verdunsten benötigt wurde. Diese frei gewordene Energie kommt jetzt der Wolke als fühlbare Wärme zugute und reduziert die durch das Ausdehnen erfogte Abkühlung.
Je mehr Wasserdampf zum Kondensieren zur Verfügung steht, d.h. je wärmer und feuchter die Luft ursprünglich war, umso stärker wird die Abkühlung verringert. Die aufsteigende Wolkenluft wird sich also pro 1000 Fuß um weniger als 3°C abkühlen, bleibt also beim Wachsen relativ warm. Bleibt sie dabei wärmer als die Umgebungsluft, wächst die Wolke weiter bis der "Treibstoffvorrat" verbraucht ist, denn je kälter die Luft mit der Höhe wird, umso weniger Wasserdampf kann sie ja enthalten.
Die Schichtung - hemmt oder fördert das Wolkenwachstum
Bei all unseren Überlegungen sind wir immer davon ausgegangen, dass die Umgebungsluft in der jeweiligen Höhe kälter ist als die Thermikblase oder die Wolkenluft. Wenn wir also wissen wollen. ob heute die Wolken richtig wachsen können, ist es notwendig, dass wir uns die Umgebungsluft anschauen. Das ist allerdings gar nicht so einfach, denn wir haben ja nicht an jeder Stelle in der Atmosphäre Thermometer, an denen wir die Temperatur ablesen können.
Da helfen die Radiosonden-Aufstiege. An über 1.500 Orten auf der Erde werden jeden Tag immer zur gleichen Zeit Ballons aufgelassen, an denen eine Sonde mit Messfühlern für Temperatur, Feuchte und Druck hängt. Diese Werte werden zur Erde gefunkt und in so genannte Diagramm-Papiere eingetragen. Aus den Eintragungen kann dann für jede Höhe abgelesen werden, ob die Thermikblase oder Wolke wärmer oder kälter sein wird als die Umgebungsluft. Ist die Thermikblase oder Wolke wärmer, dann wird sie weiter steigen; man sagt, die Luft ist labil geschichtet. Ist sie dagegen in einer bestimmte Höhe kälter als die Umgebungsluft, dann ist sie auch schwerer und wird somit sinken. In diesem Fall sagt man, dass die Luft stabil geschichtet ist.
Das unterkühlte Tröpfchen - eisig und doch flüssig
Wir haben jetzt fast alle Vorgänge behandelt, die beim Entstehen einer Gewitterwolke eine Rolle spielen. Doch ein Prozess fehlt noch. Warum regnet es aus einer Wolke sintflutartig und aus einer anderen stürzen Tennisball große Hagelkörner zu Boden?
Dazu stellen wir uns einen virtuellen Flug durch einen Cb vor von der Wolkenunter- bis zur Obergrenze und schauen bei jeder Temperatur nach, ob Wasser in flüssiger oder fester Form vorhanden ist. Wie erwartet finden wir im unteren Teil der Wolke, wo die Temperaturen noch im positiven Bereich liegen, nur Wassertröpfchen.
Doch überraschend bestehen auch bei Temperaturen unter 0°C die Wolkentröpfchen zunächst nur aus flüssigem Wasser. Man bezeichnet solche Tröpfchen als unterkühlt. Sogar in größeren Höhen, wo es schon -10°C bis -12°C kalt ist, treffen wir erst ein Eiskristall auf eine Million flüssiger Tröpfchen. Allmählich werden die Eiskristalle mehr, doch noch in 5 km Höhe bei Temperaturen um -20°C überwiegen die unterkühlten Tröpfchen. Erst bei noch tieferen Temperaturen treffen wir mehr Eiskristalle als unterkühlte Tröpfchen. Doch müssen wir etwa 7 km hoch fliegen, um nur noch Eiskristalle zu finden, denn das ist erst bei Temperaturen unter -40°C der Fall.
Dass erst bei so tiefen Temperaturen flüssige Tröpfchen gefrieren, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Ein wesentlicher Grund ist der Krümmungsradius der Wolkentröpfchen. Über großen Wasserflächen bildet sich Eis gewöhnlich bei Temperaturen knapp unter dem Gefrierpunkt. Je kleiner ein Wassertropfen umso kälter muss es sein, bis er gefriert. Ein Tröpfchen mit 0,025 mm Durchmesser gefriert z.b. erst bei -35°C. Diesen Vorgang nennt man spontanes Gefrieren.
Zwischen Gefrierpunkt und spontanem Gefrieren entstehen die meisten Eispartikel durch den Zusammenstoß von unterkühlten Tröpfchen. Durch die Erschütterung bilden sich im Innern dieser Tröpfchen erste Eiskristalle. So ein Eis-Embryo wirkt nun selbst wie ein Kern, an dem andere unterkühlte Wassermoleküle als Eiskristall "andocken". Und so gefriert allmählich ein unterkühltes Tröpfchen. Diesen Vorgang nennt man Kontakt-Gefrieren.
Doch weder die unterkühlten noch die gefrorenen Teilchen sind groß und schwer genug, um als Niederschlag aus der Wolke nach unten zu fallen. Mindestens eine Million Wolkenteilchen müssen zusammenwachsen, um ein kleines Niederschlagsteilchen zu bilden. Dazu schauen wir uns das Nebeneinander von unterkühlten Wolkentröpfchen, Eiskristallen und Wasserdampf an.
Da setzt ein gnadenloser Verdrängungsprozess ein. Der Sättigungsdampfdruck über den unterkühlten Wassertröpfchen ist größer als über den Eiskristallen, weil die unterkühlten Wassermoleküle das Tröpfchen leichter verlassen können als Moleküle im kristallinen Eis. Die unterkühlten Wasserdampfmoleküle und Wolkentröpfchen werden von den Eiskristallen förmlich aufgefressen. Und so wachsen die Eiskristalle unaufhörlich, bis sich die ursprünglich reine Wasserwolke in eine reine Eiswolke verwandelt hat. Eiskristalle sins so "gefräßig", dass sie innerhalb von 20 min um das 10.000-fache wachsen können.